Saturday, October 14, 2006

nrz artikel nummer 7. heute bin ich mal kritisch

Christchurch.
Kiwis sind nicht so grün wie sie gerne wären.

Manche Dinge, die ich in Neuseeland kennen gelernt und erlebt habe, lassen mich einfach nur kopfschüttelnd zurück. Manchmal amüsiert, manchmal erschüttert und ab und zu sogar entnervt.
Neuseeland brüstet sich gerne damit eine atomfreie Zone zu sein, denn es gibt hierzulande keine Atomkraftwerke und die Regierung erlaubt keine atombetriebenen oder –tragenden Wasserfahrzeugen einen Ankerplatz in Neuseelands Häfen. Auch was organische Lebensmittel angeht, Gemüse das keiner Art von Pestiziden ausgesetzt wurde, herrscht in den hiesigen Supermärkten kein Mangel. Woran ebenfalls beim Einkauf kein Mangel besteht sind Plastiktüten mit denen der Kunde überhäuft wird. Geht man hier einkaufen, so darf man sich auf lange Wartezeiten an den Kassen einstellen, denn die Kassierer packen den Einkauf vom Band direkt in kleine Plastiktüten – nie mehr als drei oder vier Teile in eine Tüte. So kommt es nicht selten vor, dass man mit sechs oder sieben Tüten vom Einkaufen heimkehrt. Der einzige Vorteil der Tüten in meinen Augen: Man muss keine Müllsäcke kaufen. Auch wenn mich der Tütenverbrauch hier erschreckt, konnte ich dennoch beobachten, dass sehr wenige Plastikbeutel in die Landschaft geworfen werden und der größte Teil seine Verwendung als Mülltüten findet. Trotzdem: Grünes Neuseeland?
Ein weiterer Punkt ist das hiesige Heizsystem. Die meisten Wohnungen und Häuser in Neuseeland besitzen aufgrund des hier herrschenden milden Klimas keine Heizungen. Falls es denn doch einmal zu kalt werden sollte, heizen die Kiwis mit Holz in kleinen Kaminen. Billig aber nicht besonders effektiv, wenn man bedenkt, dass Neuseelands Häuser im Allgemeinen keine Isolierung besitzen und die meist sehr großen Fenster nur einfach verglast sind. Die Mengen an Holz, die hier zum Teil verheizt werden um ein wenig Wärme zu schaffen sind enorm. Und wenn ein Haus wirklich einmal eine Heizung oder einen Heizlüfter besitzt, so ist dieser im Regelfall an der Decke angebracht. Auch wenn wir hier Down Under sind, habe ich das Prinzip der Deckenheizung immer noch nicht verstanden – denn hier steigt ebenso wie in Europe die Wärme nach oben. Und bei den zumeist einstöckigen Kiwi-Häusern bedeutet das: Direkt ins Dachgebälk.
Doch es gibt auch positive Beispiele. In einigen Hostels, preiswerte Unterkünfte für Rucksack-Touristen, achten die Besitzer sehr auf ihren Energieverbrauch. Statt Stromfressenden Heizlüftern liegen in den Schlafsälen zusätzliche Decken und Wärmflaschen bereit, um die Gäste in kälteren Nächten zu wärmen. Und viele Hostel-Besitzer haben außerdem in ihren Küchen Schilder, die ihre Besucher auf die korrekte Entsorgung ihres Mülls aufmerksam zu machen. In solchen Unterkünften werden Biomüll, Glas, Plastik, Aluminium und Papier getrennt. Doch das ist leider nicht der Regelfall. Papier wird generell mit dem Plastik weggeworfen und Blöcke oder Hefte aus recyceltem Papier sind selten.
Den größten Schreck in dieser Hinsicht bekam ich vor ein paar Wochen, als ich meine amerikanische Mitbewohnerin Jamie, die bereits seit zwei Jahren in Neuseeland lebt, fragte, wo ich leere Batterien zu entsorgen hätte. Sie sah mich vollkommen verständnislos an und meinte: Im Mülleimer natürlich. Ich konnte es kaum glauben und schob diese Antwort auf das in Amerika generell nicht existierende Umweltbewusstsein, doch auch als ich die Leiterin meines Wohnheimes fragte, antwortete sie mir kopfschüttelnd, dass Batterien in Neuseeland in den normalen Hausmüll wandern.
Den ausländischen Studenten hier wurde oft gesagt, dass Neuseeland in seiner Entwicklung etwa zehn Jahre hinter Mitteleuropa herhinkt. Der Alltag in Christchurch hat mir gezeigt, dass das zumindest im Bezug auf das hiesige Umweltbewusstsein zutrifft. Ich selbst bin keine leidenschaftliche Umweltschützerin und garantiert nicht in der Position mich als grüner Moralapostel aufzuspielen, doch das selbst erklärte „grüne Neuseeland“ lässt mich zuweilen einfach nur den Kopf schütteln. (Aenne)

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